Mythen um Abschiebehaft

Hier wollen wir über einige gängige Fantasien rund um Abschiebehaft aufklären, welche sich leider hartnäckig halten. Wir wollen mit ihnen ein wenig aufräumen. Haft ist unmenschlich, traumatisierend und hat hohe menschliche Kosten. Wir stehen für eine Welt ohne Gefängnisse und glauben fest daran, dass dies auch möglich ist. Für das Recht zu gehen und zu beliben – und für eine Gesellschaft der Vielen!

1. Abschiebehaft führt zu mehr Abschiebungen

Leider hält sich der Mythos, dass Abschiebehaft zu mehr Abschiebungen führen würde hartnäckig. Das ist aber schlicht falsch! Abschiebehaft ist in dem Sinne „bequemer“ für Behörden, da die Person jederzeit verfügbar ist für die Abschiebung – Haft ist also ein Kontrollinstrument. Abschiebungen werden seit der Gesetzesänderung 2015 nicht mehr angekündigt, weshalb das Argument, die Menschen würde sich wissentlich ihrer Abschiebung entziehen ins Leere läuft. Wie soll sich eine Person etwas entziehen, wovon sie nicht wusste, dass es stattfindet?! Haft ist also eine weitere inhumane Verschärfung im Umgang mit nicht-Staatsbürger*innen. Und dies, obwohl selbst das Bamf in einer eigenen Studie aus dem Jahr 2014 feststellte, dass Abschiebehaft teuer und nicht besonders wirksam ist um Abschiebezahlen zu erhöhen.

Dennoch hat Haft Konkunktur und in Deutschland wurden in den letzten Jahren mehrere neue Gefängnisse in Betrieb genommen und neue befinden sich bereits in Bau (z.B. der Knast in Passau, welcher als Deutschlands größter Abschiebeknast geplant wird).

Wenn ihr euch weiter einlesen wollt, empfehlen wir:

  • das Hinterland Magazin zu 100 Jahre Abschiebehaft (2019): https://www.hinterland-magazin.de/ausgabe41/
  • den Vermerk der großen Anfrage der Linken zur Abschiebungshaft: https://integral-online.de/images/koordinierungsstelle/Vermerk-Grosse-Anfrage-Abschiebungshaft-2018-bis-2021_LINKE_O-Ton_1.pdf
  • die Ausführungen vom Mediendienst Integration: https://mediendienst-integration.de/artikel/im-grossen-stil-abschieben.html#:~:text=2023%20ist%20die%20Zahl%20der,des%20sogenannten%20Chancenaufenthalts%20an%20Geduldete.
  • den Bericht „4 Jahre Abschiebeknast Hessen“ der Community for All: https://communityforall.noblogs.org/pia/der-knast/
  • eine Übersicht zu den verschiedenen Knästen findet ihr bei der No Border Assembly: https://noborderassembly.blackblogs.org/de/abschiebehaft-abschaffen/

2. Abschiebehaft ist nicht wirklich Haft, sondern “Normales Leben minus Freiheit”

Abschiebehaft wird oft von Verantwortlichen mit dem Slogan “Normales Leben minus Freiheit” versehen, oder “So viel Sicherheit wie nötig, so viel Freiheit wie möglich.”

Damit soll suggeriert werden, dass es sich ja gar nicht wirklich um Gefängnishaft handeln würde – was zynisch ist. Haftbedingungen werden darüber verschleiert und Abschiebehaft verharmlost.
Dabei haben die Menschen in Ingelheim die im geschlossenen Flur sind nur das menschenrechtliche Minimum von einer Stunde Hofgang am Tag. Im offenen Flur sieht es nur geringfügig besser aus und die Zeit erhöht sich etwas. Zwar können Gefangene im offenen Flur sich tagsüber selbst in ihren Zellen ein- und ausschließen, allerdings nicht während der Nacht. Das Essen kommt abgepackt von einem Dienstleister und ist teilweise unzureichend, sodass Gefangene nicht satt werden. Handys werden den Inhaftierten abgenommen und telefoniert werden kann nur über eine Telefonanlage in der Haftzelle – über Prepaid-Karten und zu Preisen die nicht öffentlich bekannt sind! Dadurch fallen auch die Kommunikationsmöglichkeiten über WhatsApp oder generell das Internet weg.
Besuche müssen von den Inhaftierten selber beantragt werden, wobei in Ingelheim mitunter aus dem gesamten Bundesgebiet inhaftiert wird. Die psychologische Betreuung ist mit 2 Stunden die Woche absolut unzureichend.

Das Gefängnis in Ingelheim wurde 2001 in Betrieb genommen, ist ein Neubau und wurde als Hochsicherheitsgefängnis gebaut. Es zeichnet sich durch eine 10 Meter hohe Mauer außen und einem in zweiter Reihe stehenden 5 Meter hohen Zaun mit Nato-Stacheldraht aus. Die Fenster sind vergittert und es gibt eine massive Kameraüberwachung. Neben den offenem und dem geschlossenem Flur, gibt es noch eine Isolationszelle, in der lediglich eine Matratze liegt – kein Tisch, kein Stuhl. Das Fenster ist klein, Tageslicht dadurch rar und es kann nicht raus geschaut werden.

Bis 2014 wurden in Deutschland übrigens Abschiebehaftgefangene gemeinsam mit Strafgefangenen inhaftiert, was erst durch ein Urteil des Europäischen Gerichthofs unterbunden wurde. Daraufhin mussten erst mal die meisten Abschiebehaftgefangenen freigelassen werden.

Dass die Gefängnisse alle (!) nicht so heißen, sondern “Gewahrsahmseinrichtung” oder “Unterbringungseinrichtung”, sowie teilweise sogar nicht mals von Gefangenen, sondern “Untergebrachten” gesprochen wird, soll dazu dienen die gewaltvolle Realität von Gefängnis zu verschleiern. Es sind schlicht Euphemismen, die mehr mit Illusion als irgendeiner Realität zu tun haben. Dadurch soll die Fantasie von “Ist ja nicht so schlimm” ermöglicht werden.

Wir aber bleiben dabei: So sieht kein normales Leben aus, sondern Haft!

Mehr Infos findet ihr hier:

  • Nationale Stelle zur Verhütung von Folter – https://www.nationale-stelle.de/besuche/laenderkommission/2019.html
  • Hinterland Magazin zu 100 Jahre Abschiebehaft: https://www.hinterland-magazin.de/ausgabe41/